Der Formenbau im Detail
Mineralgießen von Waschbecken, Spritzgießen von Joghurtbechern, Faserspritzen von Bootsteilen, Formpressen von Flugzeugkomponenten, Druckgießen von Zylinderkurbelgehäusen, Gesenkschmieden von Pleueln: Das Spektrum der Dinge, die in industriellen Gieß- und Spritzverfahren aus Kunststoff oder Metall gefertigt werden, könnte nicht breiter sein. Allen gemeinsam ist jedoch eines: Die Form bzw. das Formwerkzeug, in der ein Werkstück gegossen, gepresst oder gespritzt wird, ist – neben dem Werkstoff – die wichtigste Komponente für seine erfolgreiche Fertigung. Denn nur hochwertige Formen können hochwertige Werkstücke liefern. Die Entwicklung und Herstellung dieser Formwerkzeuge ist Aufgabe und Inhalt des Formenbaus, eines Fachgebiets des Werkzeugbaus.
Grundsätzlich sind beim Formenbau zu unterscheiden zwischen Dauerformen und verlorene Formen. Dauerformen sind auf dutzende bis hunderttausende Produktionsvorgänge ausgelegt. Sie werden – je nach Verwendungszweck und -dauer – aus Kunststoff, Gips, Aluminium, Zink- oder Buntmetalllegierungen, Werkzeugstahl etc. hergestellt. Verlorene Formen – beispielsweise aus Sand mit Bindemitteln oder Wachs – werden dagegen während oder nach einem einzigen Gießvorgang zerstört. Das Wachsausschmelzverfahren stellt dabei Sonderverfahren zur Fertigung von Kleinstteilen für die Medizin- und Mikrotechnik dar. Hierbei werden die verwendeten Formwerkzeuge nach Beendigung des Gießverfahren durch Erhitzen einfach auflöst.
Bevor es losgeht: die Machbarkeitsprüfung
Bei Dauerformen für die kunststoffverarbeitende Industrie handelt es sich in der Regel um kosten- und zeitintensive Einzelanfertigungen. Die endgültige, serienfähige Form aus Werkzeugstahl stellt dabei das Ergebnis eines mehrphasigen Entwicklungsprozesses dar – ein Prozess, der Monate dauern und sechsstellige Summen kosten kann, noch bevor die Produktion überhaupt aufgenommen wird. Jedoch erfordert nicht jedes Formteil ein teures Stahlwerkzeug. Im Gegenteil: Für limitierte Repliken eines Kunstobjekts beispielsweise – auch diese zählen zu den Formteilen – sind additive Fertigungsverfahren weitaus sinnvoller. Für den Bootsbau, wo große Teile mithilfe handgefertigter Formwerkzeuge aus glasfaserverstärkte Kunststoffen (GFK), seltener kohlefaserverstärkte Kunststoffen (CFK) gefertigt werden, wären Stahlwerkzeuge viel zu schwer.
Das heißt: Je nach Komplexität des Formteils, gewünschter oder notwendiger Fertigungsgenauigkeit, benötigter Stückzahl und Marktreife gibt es zahlreiche Alternativen zum Formenbaus aus Stahl, darunter additive Fertigungsverfahren wie der 3D-Druck (empfehlenswert ist hier das Stereolithographie– oder Selektives Lasersintern), Spritzguss (nicht nur für Werkstücke, sondern auch für Werkzeuge), Aluminiumdruckguss und anderes mehr. Eine Machbarkeitsprüfung vor Beginn der Werkzeugentwicklung ist daher von maßgeblicher Bedeutung für die Wirtschaftlichkeit der geplanten Fertigung beim Formenbau.
Von der Idee zum gebauten Formwerkzeug: Gedruckt, gegossen, gedreht, gefräst
Soll ein neues Formwerkzeug bis zur Serienreife entwickelt werden, beginnt der Prozess in der Regel immer mit einem 3D-CAD-Modell, auf dessen Basis zunächst ein oder mehrere Prototypen der Form gefertigt werden. Oft kommen dabei additive Fertigungsverfahren wie der 3D-Druck zum Einsatz. Sie erlauben eine kostengünstige und schnelle Herstellung von Werkzeug-Prototypen „direkt vom Laptop“. Erforderliche Anpassungen und der Neudruck der Form sind ohne langen Vorlauf durchführbar.
Ist der Prototyp der Form ausgereift, wird meist ein so genanntes Soft Tool aus Aluminium oder Zinklegierungen hergestellt, das kleinserien- bzw. versuchsserienfähig ist. Das heißt, sie eignen sich für Stückzahlen zwischen zehn und 200 Formteilen. Danach sind sie verschlissen und müssen ausgetauscht werden. Alternativ können Soft Tools auch mit speziellen Kunststoffen spritzgegossen werden. Interessant: Das Verfahren zur Herstellung des Formwerkzeugs und das zur Fertigung des Werkstücks bzw. Formteils sind damit faktisch gleich.
Formenbau mit Stahl: Kostspielig – aber höchste Fertigungsgenauigkeit plus beste Reproduzierbarkeit
Dauerformen aus Werkzeugstahl für (Spritz)gießverfahren, so genannte Hard Tools, stehen am Ende des Entwicklungsprozesses einer Form. Sie sind deutlich verschleißfester als Formen aus anderen Materialien, so dass sie die Fertigung hunderttausender gleichartiger Formteile ermöglichen – ohne Qualitätsverlust. Im Stahlformenbau können Formkonturen hochpräzise nachgebildet werden. Genauigkeiten bis zu fünf Mikromillimeter sind realisierbar. Hierbei kommen die traditionellen Bearbeitungstechniken des Werkzeug- und Formenbaus zum Einsatz: Drehen, Fräsen, Erodieren, Schleifen und Gewindeschleifen, in der Regel mit CNC-Unterstützung, mitunter auch manuell nachbearbeitet. Das Ergebnis: Effiziente Formen für exakte Werkstücke, massenhaft in gleicher Form reproduzierbar.
Aber: Da Hard Tools überaus kostspielig und langwierig in Entwicklung und Herstellung sind, rechnen sich diese Formen nur in der industriellen Serienfertigung. Bei kleineren Stückzahlen, Kleinserien oder gar Prototypen und Designmustern, ist das Verfahren in der Regel unwirtschaftlich, da die Fertigungskosten pro Werkstück zu hoch werden.
Die Ausnahme: Gießverfahren für Werkstücke, die höchste Fertigungsgenauigkeit mit geringstmöglichen Toleranzen – also Abweichungen vom Idealmaß – erfordern, beispielsweise für die Medizin- oder Elektrotechnik oder im Mikrospritzguss. Hier werden auch bei Kleinstserien Formwerkzeuge aus Stahl eingesetzt. Denn nur diese können zuverlässig reproduzierbar die benötigte, hohe Qualität liefern.
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Die Kavität = die Negativform des Formteils
Metallformen für Kunststoffspritzgießverfahren können aus bis zu hundert Einzelteilen (und mehr) bestehen, beispielsweise für die Serienfertigung von medizinischen Massenartikeln. Das Grundprinzip ist jedoch immer gleich: Eine Matrize oder Mutterform, bildet die Negativform der Außenform des herzustellenden Formteils ab. Ist das Formteil massiv, befindet sich in der Matrize die so genannte Kavität, ein Hohlraum, der mit Spritzmasse gefüllt wird. Handelt es sich um einen Hohlkörper oder ein Gehäuse, wird die Matrize durch einen Kern ergänzt. Diese Innenform bildet gemeinsam mit der Mutterform die Kavität. Der Kern wird nach Abschluss des Spritzgießverfahrens entfernt oder verbleibt im Formteil. Zu ersteren zählen Gewindekerne, die – teils manuell – entfernt werden. Andere werden erhitzt und ausgegast oder fallen zusammen. Eine Kombination verschiedener Varianten ist möglich.
Wichtig: Unterschneidungen in Öffnungsrichtung des Formwerkzeugs sind produktionstechnisch bei Spritzgießverfahren nicht möglich. Sind Unterschneidungen – also nicht bündig abschließenden Kanten und Flächen erforderlich – werden zusätzlich Schieber in die Kavität integriert. Vor dem Auswerfen werden diese zurückgefahren.
Innen- oder Außengewinde sowie unterschiedlichste, designorientierte Oberflächen des Formteils sind realisierbar. So kann je nach Ausgestaltung der Innenflächen der Kavität ein Formwerkzeug glatt oder rau, mit Muster oder reliefiert gestaltet werden.
Der Werkzeugaufbau: Verformbarkeit bis zum Aushärten
Trotz der Schlüsselfunktion, die die Form selbst bei der Fertigung von Formteilen einnimmt: Die perfekte Kavität allein schafft noch kein perfektes Werkstück. Darüber hinaus muss ein Formwerkzeug die Verformbarkeit des Werkstoffes während aller Arbeitsschritte sicherstellen und ein zu frühes oder zu spätes Erstarren verhindern. So müssen schlecht plastisch verformbare Werkstoffe erhitzt werden und härten durch Kühlung aus, andere werden durch Hitzezufuhr zum Erstarren gebracht. Zusätzlich muss die Form ein unkompliziertes, schnelles und zugleich sorgfältiges Auswerfen des gefertigten Formteils ermöglichen.
Daher unterteilen sich Formwerkzeuge meist in zwei Formplatten: eine Angussseite mit Düsen und eine Ausstoßseite, die gegebenenfalls mit Auswerfervorrichtungen wie Stiften, Bolzen oder Schiebern versehen ist. Beide gemeinsam bilden die negative Kontur des Formteils, also den zu füllenden Hohlraum, ab und während von der Gießmaschine für den Gießvorgang zusammen und nach dem Aushärten wieder auseinander geführt. Je nach den Erfordernissen des verwendeten Werkstoffs verfügen die Formplatten über Kühlbohrungen, Heiß- oder Kaltkanaldüsen.
Matt oder glänzend, lang- oder kurzlebig – ein Frage der Temperatur
Die Temperierung eines Formwerkzeugs stellt nicht nur die Formbarkeit des Werkstoffs sicher. Sie nimmt auch wesentlichen Einfluss auf weitere Charakteristika der Verfahrens und des fertigen Werkstücks. So beeinflusst eine schneller Aushärtung durch eine stärkere Wärmezufuhr oder Kühlung die Zykluszeiten und damit die Fertigungskosten eins Formteils. Auch das Schwundverhalten – jedes Formteil schrumpft beim Aushärten – wird durch die Temperatur beeinflusst, ebenso die Oberflächenbeschaffenheit (matt oder glänzend), die Qualität an der Stelle des Anspritzpunktes und die Lebensdauer des Werkzeugs.
Wichtig: Neben der Werkzeugtemperierung wirkt sich auch die Umgebungstemperatur, d.h. die Produktionsbedingungen in einer Werkshalle – winterlich kühl oder sommerlich heiß –maßgeblich auf die Eigenschaften und die Qualität des gefertigten Formteils aus.
Effizienter Formenbau: der Mittelweg zwischen Wirtschaftlichkeit und Fertigungsgenauigkeit
Oberstes Ziel im Formenbau ist die Fertigung eines effizienten Formwerkzeugs zur Verwirklichung exakter, zuverlässig reproduzierbarer Formteile. Nicht immer sind aufwändige und teure Stahlformen notwendig und vor allem wirtschaftlich sinnvoll. Modernste Spritzgusstechnik ermöglicht Kunststoff- und Aluminium-Schnellspritzgussverfahren auch im Formenbau. So können in kurzer Zeit test- und marktfähige Spritzgussteile gefertigt werden, nicht nur für Prototypen und Vorserien bzw. als Entwicklungsschritt zur Großserienform aus Werkstahl, sondern auch als alleiniges Formwerkzeug für Kleinserien. Vor jeder Produktionsentscheidung steht daher Frage: Wie viel Fertigungsgenauigkeit ist nötig (nicht möglich!) und was kostet sie? Die Antwort auf die Frage entscheidet über den Werkstoff – des zu fertigenden Formteils und des zu entwickelnden Formwerkzeugs.
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