Selektives Laserschmelzen: Voll belastbare Metallteile ohne Formwerkzeug
Selektives Laserschmelzen (Selective Laser Melting = SLM) ermöglicht die additive Fertigung hochwertiger und komplexer Formen, Bauteile und Endprodukte – ohne lange Vorlaufzeit, ohne aufwändigen Werkzeugbau, kostenoptimiert und bedarfsgerecht individualisiert.
Das Grundprinzip: Ein computergesteuerter Laser verschmilzt nach geometrischen Modelldaten Metallpulver schichtweise zu einem Bauteil. Der Fertigungsprozess weist dabei große Übereinstimmungen mit dem Selektiven Lasersintern (SLS) auf. Die Unterschiede:
- Die Pulverpartikel werden anders als bei SLS in der Regel nicht vorab erhitzt (es sei denn, es handelt sich um Aluminiumlegierungen),
- Die Pulverpartikel werden verschmolzen und nicht gesintert. Und
- Der Fertigungsprozess findet in einer besonderen Schutzgas-Atmosphäre aus Argon oder Stickstoff statt, um eine Oxidation des Metallpulvers zu verhindern.
Der SLM-Prozess im Überblick
Ausgangspunkt für den Prozess des Laserschmelzens ist ein 3D-CAD-Modell, das Schicht für Schicht in seine geometrischen Daten zerlegt wird (slicen). Die meisten AutoCAD-Programme verfügen hierfür über eine .stl-Schnittstelle. Diese .stl-Datei des zu fertigenden Bauteils kann direkt von der Scan-Einheit des Fabrikators bzw. 3D-Druckers schichtweise ausgelesen werden.
Im eigentlichen Fertigungsprozess wird Metallpulver mit einer Rakel schichtweise auf eine Bauplattform aufgetragen. Je nach Verwendungszweck werden dabei meist bindemittelfreie, verdüste Pulver aus folgenden Metallen bzw. Werkstoffen verwendet:
Materialien im Überblick
- Edelstahl
- Werkzeugstahl
- Hochtemperaturbeständiger Stahl
- Chromstahl
- NickelAlloy und Nickelbasislegierungen
- Aluminium und Aluminiumlegierungen
- Titan und Titanlegierungen
- Chrom-Cobalt-Molybdän-Legierungen
- Bronzelegierungen
- Kupferlegierungen
- Edelmetalllegierungen
Ein oder mehrere hochenergetische Laser schmelzen im nächsten Schritt das Metallpulver lokal auf. Die Ausrichtung des/der Laser erfolgt dabei über Umlenkspiegel, der wiederum von der Scan-Einheit gesteuert wird, die die .stl-Daten des Bauteils ausliest. Nach dem Aushärten wird die Bauplattform abgesenkt und eine neue Pulverschicht auf die bereits erstarrte Metallschicht verteilt und aufgeschmolzen – so lange, bis das Bauteil fertig gestellt ist.
Im Anschluss wird das Bauteil entfernt, gereinigt und bei Bedarf nachbearbeitet. Die Nachbearbeitung kann als Oberflächenbehandlung oder mechanische Bearbeitung erfolgen wie Fräsen, Drehen, Schleifen, Gleitschleifen, Draht- und Senkerodieren, Polieren, Lackieren und Beschichten, Schweißen, Wärmebehandlungen und andere.
Die Standardschichtdicke beim SLM beläuft sich auf 0,015 bis 0,1 mm, die minimale Wandstärke auf 0,25 mm. Anders als beim Selektiven Lasersintern müssen die Bauteile jedoch auf der Bauplattform fixiert werden und benötigen Stützgeometrien, falls eine neue Schicht nicht auf eine vorherige aufsetzt (u.a. bei Hinterschnitten). Die Stützstrukturen werden meist wabenförmig in kleinstmöglicher Wandstärke aufgebaut, so dass sich am Ende der Fertigung leicht entfernen lässt. Hybridbauten aus einer konventionell hergestellten Basis und einem additiv mittels SLM gefertigten Aufbau sind möglich.
Die Vorteile des Selektiven Laserschmelzens:
- SLM-Teile erlauben große Freiheiten in der geometrischen Gestaltung (einschließlich Hinterschnitte), die mit regulären Werkzeugformen aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht realisierbar wären.
- SLM-Teile verfügen eine extrem hohe Bauteildichte (nahezu porenfrei mit über 99 Prozent). Entsprechend hoch sind Detailgenauigkeit, Festigkeit und chemische bzw. dynamische Belastbarkeit. Die mechanischen Eigenschaften entsprechen in der Regel denen konventionell gefertigter Teile aus demselben Grundstoff. Wichtig: Anders als beim Gießen von Metallschmelzen treten beim SLM keine unerwünschten Hohlräume (Lunker) auf.
- Selektiven Dichten mit offen-porösen Strukturen bei Erhalt der Bauteil-Festigkeit sind möglich, beispielsweise im Leichtbau für die Luft- und Raumfahrt oder in der Fertigung von Implantaten und Prothesen. Diese nach bionischen Prinzipen hergestellten Bauteile sind mit herkömmlichen Verfahren nicht darstellbar.
- Die Fertigung komplexer Bauteile einschließlich der Integration ganzer Baugruppen ist möglich. Der Montagebedarf wird so reduziert oder entfällt vollständig.
- Eine Integration von Funktionen wie Temperierkanäle, Luftinjektoren oder Scharniere und Hebel ist möglich.
- Der Materialbedarf ist deutlich geringer als bei herkömmlichen Fertigungsverfahren. Nicht verschmolzenes Pulver ist in der Regel wiederverwendbar.
- SLM ist form- und werkzeugfrei. Da keine Werkzeugformen entwickelt und gebaut werden müssen, ist es deutlich kostengünstiger und schneller als andere metallurgische Fertigungsverfahren.
- Erforderliche Anpassungen (Design, Passform etc.) können schnell und mit wenig Aufwand umgesetzt werden. Allein das 3D-CAD-Modell muss geändert und neu geslict werden.
- Die Bandbreite der SLM-fähigen Werkstoffe wächst kontinuierlich. Es gibt bereits erste SLM-Drucker, die mit hochfesten Werkzeugstählen arbeiten.
- Die dezentrale Fertigung „on Demand“ ist möglich. Eine Lagerhaltung auf Vorrat und weite Transportwege werden so überflüssig, beispielsweise bei Ersatzteilen für Flugzeuge.
Die Nachteile:
- Der Energieverbrauch ist hoch.
- Eine Nachbearbeitung der Bauteile ist erforderlich. Dabei gilt: Je höher die Laserleistung und je gröber das Pulver, desto rauer die Oberfläche.
- Es gibt eine im Vergleich zu anderen additiven Verfahren begrenzte Zahl von Maschinen- und Materialherstellern.
Von Automotive bis Werkzeugmaschinenbau: Wofür eignen sich SLM-Teile?
Prototypen und Kleinserien
Prototypen und Kleinserien in Rennsport und Automobiltechnik, Leichtbauteile für Luft- und Raumfahrt, medizinische Geräte und Implantate, Lifestyle-Produkte wie Schmuck und Uhren, Präzisionsbohrer, Formwerkzeuge und funktionsintegrierte Bauteile im Maschinenbau und Werkzeugbau – SLM-Teile kommen in einer zunehmenden Zahl von Branchen zum Einsatz. Im Bau von Prototypen – ein „klassischer“ Anwendungsbereich additiver Fertigungsverfahren – hat das Selektive Laserschmelzen einen festen Platz. Andere Einsatzgebiete insbesondere im Bereich anspruchsvoller industrieller Verwendungen rücken aber zunehmend in den Vordergrund. Insbesondere individualisierte Endprodukte beispielsweise in der Medizintechnik und Funktionsteile im Maschinen- und Anlagebau spielen eine wachsende Rolle in der SLM-basierten Fertigung.
Werkzeug und Formenbau
So werden im Werkzeug- und Formenbau mittels SLM Bauteile, Kerne und Einsätze für Druck- und Spritzgießwerkzeuge bzw. -maschinen gefertigt.
Die wesentlichen Vorteile: Selektives Laserschmelzen ist erheblich preisgünstiger und schneller als der reguläre Werkzeugbau. Und die Funktionsintegration ermöglicht beispielsweise die Schaffung konturnaher Kühlkanäle, die sich in dieser Form nicht auf herkömmliche Weise bohren lassen würden.
Für den Spritzgießprozess bedeutet das beispielsweise: Nicht nur beim Werkzeugbau spart man Zeit und Geld. Durch die Optimierung der Formwerkzeuge verkürzt sich – durch die geringere Kühlzeit – auch der Spritzzyklus. Bei gleichbleibender Bauteilgüte und Maßhaltigkeit lassen hier zusätzliche Kosteneinsparungen realisieren, bei jedem einzelnen Fertigungsprozess.
Funktionsteile
Ein weiterer Bereich, in dem SLM-Bauteile zum Einsatz kommen, ist die Fertigung hochtemperaturbeständiger Funktionsteile für Gasturbinen, Pumpen, mess-, energie- und prozesstechnische Verwendungen. Hier können sie mit hervorragenden Materialeigenschaften bei kostengünstiger On-Demand-Produktion punkten.
Medizintechnik
Besonders zu nennen ist auch der Einsatz individualisierter SLM-Endprodukte aus Titan und Titanlegierungen in der Medizintechnik. Ob Zahnersatz oder orthopädisches Langzeitimplantat wie künstliche Hüftgelenke, Knie und Wirbelsäulenstützelemente – SLM ermöglicht die Fertigung hochwertiger, langlebiger, patientenangepasster Implantate, leicht, röntgenfähig und bezahlbar.
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