Fallstudie: Eine Frage der Stückzahl? Fertigungsverfahren und Kosten
Vom etablierten Spritzgussverfahren bis zu jüngeren 3-D-Drucktechniken wie SLA und SLS – sämtliche Fertigungsverfahren unterliegen einer stetigen Weiterentwicklung. Ausgereiftere Technologien und effizientere Prozesse senken die Kosten, sodass vom Standpunkt der Wirtschaftlichkeit unter Umständen mehrere Verfahren für die Prototypenfertigung und die Produktion von Serien infrage kommen.
Andere Fertigungsverfahren erscheinen dagegen auf den ersten Blick als kostspielige Option – doch die Produktionskosten des einzelnen Bauteils hängen stets von den Umständen ab. In erster Linie definiert die geplante Quantität das kosteneffizienteste Fertigungsverfahren. Dabei spielt auch die Geometrie des Bauteils eine große Rolle.
Welches Fertigungsverfahren ist optimal? – 3 Fallstudien
Inwieweit die Produktionskosten pro Einzelteil bei Stückzahlen von 1 bis über 1000 differieren können, zeigt der Vergleich verschiedener Bauteile und Fertigungstechniken:
Am Beispiel eines hohlen Kubus mit 12 Zentimeter Kantenlänge erkennt man, dass Spritzguss hier nicht die erste Wahl für die Fertigung einer relativ geringen Anzahl von Teilen ist. Kalkuliert man die Werkzeugherstellung ein, beginnt die Spritzguss-Kostenkurve bei knapp 6000€ für das Einzelstück. Auf eine hohe Produktionsmenge umgeschlagen, nivellieren sich die Kosten für das Werkzeug – ab einer Stückzahl von über 1000, reduzieren sich die Stückkosten schließlich auf knapp über 20€. Additive Fertigungsverfahren wie FDM oder SLS bieten diesen Vorteil nicht – die Stückkosten verändern sich mit steigender Produktionsmenge nur in geringem Maße. Dafür punkten diese Verfahren mit insgesamt geringeren Kosten für Einzelanfertigungen und Kleinserien.
Je kleiner und simpler das Bauteil ausfällt, desto stärker dehnt sich der Preisvorteil der 3-D-Fertigungstechniken auch in höhere Stückzahlen aus. Am Beispiel eines 2,5 cm großen Abstandshalters wird deutlich, dass das Spritzgussverfahren hier erst ab einer Stückzahl von über 500 Stück einen Preisvorteil bietet.
Analysiert man die Kosten-pro-Stück-Kurve am Beispiel des Gehäuses für ein Sprechfunkgerät, wird klar, dass neben dem Preis noch weitere Merkmale in die Entscheidung für ein Fertigungsverfahren einfließen sollten. Zwar bietet SLS ab dem ersten Exemplar einen attraktiven Preis, doch lasergesinterte Oberflächen erfüllen mit hoher Wahrscheinlichkeit ohne aufwendige Nachbearbeitung nicht die kosmetischen Ansprüche an das Bauteil. Ab einer Stückzahl von über 500 kann das Spritzgussverfahren die Herstellungskosten gegenüber SLS unterbieten, wobei hier kaum Nachbearbeitung anfällt, wenn die Werkzeugoberfläche entsprechend gestaltet wurde.
Flache Teile mit Unterschneidungen hingegen können per SLS günstig hergestellt werden. Der Spritzguss erreicht bei diesen extremen geometrischen Anforderungen erst bei einer Stückzahl von über 1000 das entsprechend niedrige Kostenniveau pro Teil.
Spritzguss als kosteneffizientes Verfahren bei hohen Stückzahlen
Zusammenfassend betrachtet bietet das Spritzgussverfahren damit in jedem Fall die wirtschaftliche Lösung für Serien ab 2000 Stück. Je nachdem, wie anspruchsvoll die geometrischen und kosmetischen Merkmale ausfallen, ist der Spritzguss bereits ab einer Produktionsmenge von 300 Teilen die günstigere Option.
Das Verfahren erlaubt das einfache Bewältigen hoher Stückzahlen und vor allem ein Skalieren des Projektes zu einem späteren Zeitpunkt. Dass die Stückkosten bei höheren Stückzahlen in jedem Fall stark sinken, ist dabei unabhängig von der Komplexität und den Eigenschaften Ihres Bauteils – der Großteil der anfallenden Kosten deckt stets die Erstellung der Form ab. Einmal gefertigt, steigen die Produktionskosten für die Fertigung höherer Stückzahlen nur noch geringfügig. Gegenüber den 3-D-Druckverfahren punktet der Spritzguss darüber hinaus mit den kosmetisch hochwertigeren Oberflächen und mehr Auswahl beim Material.
Quantität ist nicht alles – mehr Faktoren bestimmen das passende Fertigungsverfahren
Über die Herstellungskosten hinaus sollten Sie bei der Verfahrenswahl für ihr Projekt noch folgende Kriterien in Betracht ziehen:
- Das Material: Das beim SLS genutzte PA12 ist etwas poröser als dasselbe Material beim Spritzguss. Zuweilen können im SLS-Verfahren gesinterte Teile auch entlang des Schichtverlaufes etwas weniger Stabilität aufweisen als in den übrigen Dimensionen. Das SLA-Verfahren nutzt heutzutage Materialien auf Kunstharz-Basis, die dem beim Spritzguss verwendeten ABS in ihrem Eigenschaften nahekommen. Spritzgießen hingegen bietet darüber hinaus eine breite Auswahl an Materialien, die Spezialanforderungen (z.B. Lebensmittelechtheit) erfüllen oder extremen Umgebungsbelastungen standhalten können.
- Die Oberfläche: Während das Lasersintern eine raue Oberfläche hinterlässt, erzeugt SLA glattere Ergebnisse. Letzteres eignet sich daher für kleine Teile, die physikalisch nicht hoch beansprucht werden. Über eine Stückzahl von 100 hinaus oder bei einer höheren Beanspruchung des Bauteiles, stellt Spritzgießen die adäquate Option dar.
- Toleranzen: Versierte Formenbauer können die Toleranzen im Spritzgussverfahren auf unter 100 µm begrenzen. Bestehen hier hohe Ansprüche, ist das Verfahren auch für kleinere Stückzahlen eine Option. Die 3-D-Alternative ist SLA, das Toleranzen von etwa 200 µm aufweist. SLS und FDM erzeugen mit 300 bzw. 500 µm wesentlich größere Abweichungen.
- Größe und Geometrie: Die Kosten der 3-D-Druckverfahren steigen mit dem benötigten Material und der Größe des Bauraumes. Letztere ist bei gängigen Sinteranlagen auf maximal 55 x 55 x 75 cm begrenzt. Daher lohnt hier tendenziell die Herstellung von (vielen) kleinen Teilen mit geringem Volumen, während der Spritzguss sich bei großen Stücken (über 25cm) mit einfacher Geometrie bewährt hat. Je komplexer die Geometrie eines Bauteiles wird, desto eher lohnt sich das Lasersintern: Dieses Verfahren erlaubt das Erzeugen von Löchern, Hohlkörpern und Hinterschneidungen ohne Stützstrukturen. Dieselben Merkmale sind beim Spritzguss häufig nur mit zusätzlichen Produktionsschritten zu bewerkstelligen, die wiederum die Kosten steigern. Hier lohnt sich die Produktion wieder ab stark erhöhten Stückzahlen.
- Flexibilität: 3-D-Druckverfahren erlauben es, jederzeit Anpassungen des 3-Modells vorzunehmen, sodass sie sich für die Pilotphase eines Projektes besonders gut eignen. Erste Ergebnisse kann der Auftraggeber hier bereits nach 24-48 Stunden begutachten.
Beim Spritzgießen existiert bei einer bereits erstellten Form keine Möglichkeit mehr, die Geometrie des Bauteiles im Nachhinein zu ändern. Da der Werkzeugbau hier mehrere Wochen in Anspruch nehmen kann, sollte das Modell ausgereift sein.