Teile im SLS-Verfahren herstellen – 10 Design Tipps aus der Praxis
Viele Hersteller setzen selektives Lasersintern (SLS) als additives Schichtbauverfahren bzw. 3-D-Druckverfahren gern für das Fertigen von Prototypen sowie Funktionsteilen in Kleinserien ein. Aufgrund seiner Schnelligkeit und der komplexen geometrischen Möglichkeiten, lassen sich Bauteile mit hohem technischen Anspruch durch SLS relativ kostengünstig produzieren.
Seit der Erfindung des Lasersinterns durch den amerikanischen Maschinenbaustudenten Carl Deckard in den 1980er Jahren hat es sich weiterentwickelt und diverse Einsatzfelder erobert: Vor allem in der Prothetik und der Implantologie, z.B. im Falle personalisierter Knochenimplantate, Zahnimplantate oder Hörgeräte, profitieren die Patienten von den individuell angepassten Unikaten.
Das Prinzip: Pulverförmiges Rohmaterial wird auf eine Bauplattform aufgebracht und mit einem CO2-Laser partiell aufgeschmolzen, sodass sich Partikel mit umliegenden Partikeln zu festem Material verbinden. Per Umlenkspiegel steuert eine Scaneinheit den Laser auf die Koordinaten des zu produzierenden Bauteiles. Indem der Laser die Kontur des Teiles abfährt, entsteht zunächst ein 0,1mm starker Querschnitt des Stückes. Anschließend senkt der Drucker die Bauplattform um das Maß der Schichtdicke ab, bevor eine Rolle bzw. ein Rakel eine weitere Schicht Pulver aufbringt. Schicht um Schicht entsteht das Bauteil im Pulverbett, wobei das in den Zwischenräumen verbleibende Pulver während des Sinterns die Struktur des Bauteils stabilisiert. Im Design kann deshalb auf Stützen verzichtet werden.
Filigrane 3-D-Netzstrukturen, dünne Wände und Hinterschneidungen sind beim Lasersintern problemlos möglich – aber machen diese Merkmale auch in jedem Projektvorhaben Sinn? Im Folgenden erfahren Sie, was Sie beim Design eines 3-D-Modells für die Fertigung im SLS-Verfahren beachten sollten:
Vorbereitungen im 3-D-CAD-Modell treffen
Vor der Fertigung müssen Sie das virtuelle 3-D-Modell das .stl-Format exportieren. In diesem Schritt legt das Programm Schichten an, die den Pulverschichten entsprechen (Slicing) und zergliedert die Oberfläche des Objektes in Dreiecke. Damit bei runden Formen durch die geometrische Übersetzung keine Ecken entstehen, ist eine hohe Auflösung nötig.
Dimension und Toleranzen beachten
Aus Polyamid können im SLS-Verfahren Bauteile von bis zu 290 x 315 x 580 mm gefertigt werden, während glasgefülltes Polyamid, Alumide und TPU X90A die Dimensionen auf 180 x 220 x 330 mm begrenzen.
Verfahrensbedingt sollten Sie eine Längentoleranz von 0,3 Prozent und mindestens 0,3mm einkalkulieren.
Wandstärke und -Winkel anpassen
Polyamid erlaubt eine minimale Wandstärke von 0,6mm, während andere Materialien (z.B. Alumide und TPU X90A) eine Wandstärke von 0,8 bis 1mm erfordern. Falls die Flexibilität der Wände unerwünscht ist, sollten Sie ihre Dicke auf 2 mm erhöhen.
Liegen Wände des Modells mit einem Winkel unter 20 Grad zur X-Y-Ebene im Raum, verursacht eine Schichtstärke von 0,1 mm in diesem Bereich des Bauteiles unter Umständen einen Treppen-Effekt. Als Gegenmaßnahmen dienen die Vergrößerung des Winkels oder das räumliche Neigen des gesamten Entwurfes. Die räumliche Neigung des 3-D-Modells bzw. der Verlauf der Schichtung im Bauteil wirken sich zum Teil auch auf die Stabilität bestimmter Bereiche aus.
Spalten bei beweglichen Bauteilen einplanen
Funktionsteile, die sich aus mehreren Einzelkörpern zusammensetzen, können im Ganzen gesintert werden, wenn zwischen den Einzelelementen ein minimaler Abstand von 0,5 mm eingeplant wird. Ist die Lücke zu klein, erwärmt sich gegebenenfalls das Pulver im Spalt durch die Hitze des umgebenden Materials und verhärtet. Dieser Effekt tritt insbesondere bei massiven Bauteilen aufgrund des insgesamt hohen Energieeintrages beim Sintern auf. Wenn Sie die Beweglichkeit garantieren wollen, gestalten Sie den Abstand zwischen den Funktionselementen so groß wie möglich.
Bleibt eine Mindestdistanz von 0,5 mm gewahrt, können auch mehrere Bauteile in einem Fertigungsprozess hergestellt und anschließend zusammengebaut werden. Mehrere Einzelelemente, die durch Stege verbunden werden, kann man technisch wie ein Bauteil fertigen. Die Verbindungen sollten dabei mindestens 2 mm dick sein.
Hohlkörper mit Entnahmeöffnung planen
Durch die Stützfunktion des Pulvers beim Herstellungsprozess ermöglicht SLS das problemlose Fertigen von Hohlkörpern. Für die anschließende Entnahme des innen befindlichen Pulvers braucht es allerdings vorab geplante Öffnungen. Idealerweise besitzt ein Hohlkörper zu diesem Zweck mindestens 2 Löcher, die mindestens 1 cm Durchmesser besitzen. Bei großen Teilen sollten die Öffnungen zur Pulverentnahme so groß wie möglich gestaltet werden, damit keine Pulverrückstände im Hohlkörper verbleiben. Enge Röhren und komplexe Strukturen im Innern eines Hohlkörpers können hier Schwierigkeiten bereiten.
Löcher räumlich klug positionieren
Beim Konzipieren von Löchern sollten Sie deren Position im Raum berücksichtigen. Da der Laser eine exakte Kreisform zeichnen kann, gelingen Löcher, die parallel zur Z-Achse liegen, in optimal runder Form. Kreuzen die Öffnungen hingegen die Z-Achse, setzt sich die Lochkontur aus den einzelnen Schichten des Teils zusammen. Falls sie kleiner als 5 mm sind, fallen Löcher dann leicht ellipsenförmig aus. Öffnungen von weniger als 2 mm verstopft häufig das innen liegende Pulver, wenn es durch die umgebende Wärme fest wird. Dasselbe Problem tritt bei tiefen Löchern und Gängen auf, die durch die umliegenden Wandmassen erwärmt werden.
Winkel und Kanten abflachen
Durch das „Zusammensetzen“ des Bauteils aus 0,1 mm starken Schichten, werden sehr spitz zulaufende Winkel und Kanten manchmal nur unvollständig dargestellt. Abhilfe schaffen Sie, indem Sie die Kanten Ihres Entwurfes nicht gegen Null auslaufen lassen, sondern so abflachen, dass dabei mindestens eine Fläche von 0,4 mm entsteht.
Schrumpfungen und Krümmungen minimieren
Durch das schichtweise Produktionsverfahren beim Lasersintern erhält die Unterseite eines Werkstückes etwas mehr Zeit zum Erkalten als seine Oberseite. Teile, die massive Bereiche enthalten und dabei einen Durchmesser von mehr als 10 Zentimetern aufweisen, laufen Gefahr, sich durch Schrumpfungen zu verformen. Besser ist es, die massiven Elemente auszuhöhlen, sodass sie während des Sinterns durch das innen liegende Pulver stabilisiert werden aber durch die dünnere Wandstärke weniger anfällig für Verformungen sind.
Sehr dünne Wände, flache Geometrien sowie die Kanten eines Teiles verziehen sich jedoch leicht. Da die unteren Ecken im Produktionsprozess schneller erkalten und sich zusammenziehen als der mittlere und obere Bereich, können bei großen Bauteilen sichtbare Kurven entstehen.
Sehr flache Strukturen können sich beim Erkalten an den Ecken krümmen und müssen unter Umständen wiedererhitzt und kalt geklemmt werden. Auch Modelle mit unterschiedlich dicken Wandstärken neigen zum Verzug, da der Laser sie mit unterschiedlich hohem Hitzeeintrag formt, sodass die Wärme während der Abkühlphase unregelmäßig im Bauteil verteilt ist.
Beschriftung und Oberflächendetails anpassen
Damit die gewünschten Details auf der Oberfläche sichtbar realisiert werden können, sollten sie ein Mindestmaß von 0,4 mm möglichst übersteigen. Eingelassene Schriftzüge sollten mindestens 4,5 mm hoch sein und eine minimale Strichstärke von 1 mm besitzen, um lesbar zu sein. Schriftarten ohne Serifen wie Arial und Verdana erleichtern ein klares Bild.
Oberflächenbehandlung einkalkulieren
Im Gegensatz zu anderen additiven Fertigungsverfahren hinterlässt SLS eine leicht raue Oberflächenbeschaffenheit. Diese können Fachleute nach Wunsch durch Glasperlenstrahlen, Gleitschleifen, Lackieren, Beschichtungen und Färben anpassen.
Fazit
Diverse Design-Richtlinien, die beim Spritzguss gelten, kann man auch auf das selektive Lasersintern übertragen, wie
- das Abrunden von Ecken, um Spannung zu reduzieren
- das Vermeiden dicker Querschnitte und eine einheitliche Wandstärke zur Verringerung von Verzug und Verformung
Ob es sinnvoll ist, sämtliche Vorteile, die SLS bietet, im Design auszuschöpfen, sollten Sie im Hinblick auf die weitere Produktion entscheiden. Falls die auf den Prototyp folgende Serie schließlich günstig im Spritzguss-Verfahren entstehen soll, muss bereits das Design des Prototyps an dessen Vorgaben angepasst sein, um kostenintensive Überarbeitungen zu vermeiden.