Additiver Fertigung und 3D-Druck in Wissenschaft und Medizin
Additive Fertigungsverfahren haben in der produzierenden Wirtschaft bereits seit beinahe 20 Jahren ihren Platz und erleben durch die stete Verbesserung der Verfahren sowie die rapide sinkenden Kosten eine fortschreitende Ausbreitung. Dass additive Fertigungsverfahren auch im Bereich von Medizin und Wissenschaft von großem Interesse sind und ein beinahe unbegrenztes Potenzial für die Kreation neuer Produkte sowie Verfahren bergen, liegt auf der Hand. Das Erschaffen künstlicher Organe auf Basis menschlicher Stammzellen ist zwar noch immer Zukunftsmusik, aber auch die bis dato realisierten Projekte aus Medizin und Wissenschaft sind durchaus beeindruckend und wären bis vor wenigen Jahren so noch nicht denkbar gewesen.
Wie werden additive Fertigungsverfahren derzeit in Medizin und Wissenschaft angewendet?
Gerade, wenn es darum geht, neue Forschungserkenntnisse anhand von Versuchen nachzustellen, liefern additive Fertigungsverfahren sehr gute Dienste ab, zumal beispielsweise filigrane Einzelanfertigungen für Versuchsanordnungen in kurzer Zeit angefertigt werden können.
Wichtig ist dies unter anderem im Fall mikroskopischer biologischer Molekülstrukturen, die durch die Anwendung von 3D-Druckverfahren in stark vergrößertem Maßstab in plastische Modelle umgemünzt werden können, sodass Forscher die funktionalen Zusammenhänge leichter erfassen und verstehen können. Gerade in der Medizin, die von der Individualität des menschlichen Organismus geprägt ist, übernehmen additive Fertigungsverfahren weitere wichtige Anwendungsfelder.
Dies betrifft in erster Linie den dreidimensionalen Druck von anatomisch angepassten Prothesenteilen, Hörgeräten und anatomischen Modellen, die sowohl im Rahmen der Medizinerschulung als auch zum Zweck der OP-Vorbereitung verwendet werden. Interessant ist diesbezüglich, dass es bereits möglich ist, Daten, die durch CT und MRT gewonnen wurden, in patientenspezifische Modelle umzuwandeln.
Ärzte erhalten damit deutlich bessere Möglichkeiten, individuelle Krankheits- und Verletzungsmuster zu begreifen und geeignete Behandlungen in die Wege zu leiten.
Welche Technologien, welche nicht und warum?
Da in der Wissenschaft und insbesondere in der Medizin besonders hohe Ansprüche an zum Einsatz kommende Verfahren gestellt werden, eignen sich nicht alle additiven Fertigungsverfahren für dieses Anwendungsgebiet. Am Beispiel der patientenspezifischen Anatomiemodelle lässt sich auch leicht erklären, warum dies so ist, denn gerade die komplexen Strukturen des menschlichen Organismus verlangen nach einer unmittelbaren detailgetreuen Darstellung samt farblicher Hervorhebung, die nur mit wenigen Verfahren wie der PolyJet Technologie realisiert werden kann.
Die Auswahl verfügbarer Druckmaterialien sowie der Fertigungsprozesse schränkt die Menge der infragekommenden Verfahren zusätzlich ein. Während sich die Stereolithographie (SLA), das Selektive Lasersintern (SLS) und das Selektive Laserschmelzen (SLM) durch ihre hohe Präzision sowie die große Bandbreite an verfügbaren Werkstoffen auszeichnen und damit hervorragend für den Einsatz eignen, eignet sich beispielsweise das Fused Deposition Modelling gleich aus mehreren Gründen eher schlecht für Anwendungsgebiete die maximale Qualität und Präzision voraussetzen.
Dies liegt zum einen am geringen Angebot entsprechend professioneller Hardware als auch zum anderen am großen Nachbearbeitungsaufwand der erstellten Modelle, da das FDM-Verfahren zum Beispiels im Gegensatz zum SLM-Verfahren Stützstrukturen benötigt.
Ein besonderer Vorteil des Selektiven Laserschmelzens für die Anwendung im medizinisch-orthopädischen Bereich ist insbesondere die Verwendung von Materialien wie Titan und anderen metallischen Werkstoffen, sodass funktionale und widerstandsfähige Prothesen gefertigt werden können.
Was wird in Zukunft möglich sein?
Beinahe noch viel interessanter als das, was bisher in der Praxis umgesetzt wird, ist das, was derzeit in den Forschungszentren dieser Welt praktisch erprobt oder bis dato nur in Form theoretischer Gedankenspiele vorliegt.
Im Fokus steht dabei in erster Linie die biotechnologisch Anwendung des 3D-Drucks durch spezielle Bioprinter.
Bereits vor einigen Jahren präsentierten Biotech-Bastler aus dem Silicon Valley einen umgebauten Tintenstrahldrucker, der einen leuchtend grünen Schriftzug aus lebenden Bakterienzellen auf einen Nährboden druckte.
Dies war aber nur der Anfang, denn Biotechnologen wie der Wissenschaftler Will Wenmiao Shu von der Heriot-Watt University in Edinburgh haben bereits Bioprinter entwickelt, die unterschiedlichste Arten von Zellen zusammen mit Wachstumsfaktoren und den benötigten Stützsubstanzen Schicht für Schicht in ein potenziell lebensfähiges Gebilde umwandeln. Fernziel der Wissenschaftler ist es dabei, künstliche Organe aus den Stammzellen von Patienten zu drucken, um somit unheilbare Krankheiten zu bekämpfen und die Verfügbarkeit von Organen zu erhöhen.
Bis dahin sind mit der Einbeziehung der möglichen Immunreaktion, der Erstellung der komplexen Blutgefäße und Nervengeflechte sowie den physikalischen Einwirkungen der Extruderdrüsen auf das Zellmaterial aber noch einige Herausforderungen zu bewältigen.
Laborstudien versprechen große Fortschritte
Deutlich weiter ist die Forschung hinsichtlich der Erstellung weniger komplexer Strukturen wie Hauttransplantaten sowie Knochen.
So verpflanzten Wissenschaftler des Wake Forest Institute for Regenerative Medicine in North Carolina in Tierversuchen künstliche Knochenpartien aus dem biologisch abbaubarem Kunststoff Polycaprolacton (PLC).
Neben der Abbaubarkeit des Kunststoffs liegt die Besonderheit darin, dass Hohlräume innerhalb des künstlichen Knochens mit verschiedenen Zellgelen gefüllt sind, die nach und nach für einen Wiederaufbau der natürlichen Knochenstrukturen sorgen, während sich das künstliche Gewebe binnen zwei Jahren langsam abbaut. In Zukunft ist es damit möglich, durch passgenaue Knochenmodelle selbst schwerste Frakturen im Bereich des Schädels insbesondere aus dem kosmetischen Betrachtungswinkel deutlich besser zu behandeln. Ebenso wie der Druck von Knorpelstrukturen wurden auch die Knochenplastiken bereits erfolgreich in Tierversuchen erprobt. Interessant ist auch die Vision des US-Bioinformatikers Patrick D’haeseleer, der in absehbarer Zeit künstliche Blätter drucken und diese zum Zweck der Konstruktion besonders energieeffizienter Solarmodule nutzen möchte.
Die Zukunft scheint durch die rasante Entwicklung des 3D-Drucks also spannend zu werden.
Spannend ist aber nicht nur die Zukunft der additiven Fertigung, sondern auch das, was bereits jetzt mit der additiven Fertigung im Bereich des medizinischen 3D-Drucks möglich ist.